Zuletzt aktualisiert am 15. September 2019 von Birk Karsten Ecke
Unmittelbar am südlichen Ende des Hafens von Sassnitz auf der Insel Rügen befindet sich am Klocker Ufer das weiträumige Gelände des ehemaligen Schlosses Dwasieden. Vom Schloss Dwasieden ist heute nur noch eine Ruine übrig. Diese liegt versteckt in einem weiträumigen Waldgebiet, noch immer umzäunt und nur zu Fuß über eine etwas abenteuerlich wirkende Brücke in der Straße der Jugend zu erreichen. Hier sollte einst ein Ausbildungszentrum für die neu schaffende U-Boot Flotte der Kasernierten Volkspolizei (KVP) in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) entstehen.
Bereits kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges gab es aus strategischen Gründen sowohl in der sowjetischen Besatzungszone als auch in den amerikanischen, britischen und französischen Besatzungszonen Bestrebungen einer deutschen Wiederaufrüstung und der Gründung von deutschen Streitkräften. Die gemeinsamen Interessen, die während des Krieges bestanden, gab es nicht mehr. Für die Sowjetunion war die Ostsee von besonderer strategischer Bedeutung, da über sie eine in kurzer Zeit erreichbare Grenze ihres Staatsgebietes zur westalliierten Einflusszone bestand. Die heutige russische Enklave Kaliningrad sowie die baltischen Staaten Litauen, Lettland und Estland waren seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges integraler Bestandteil der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR).
Um die U-Boot Flotte der KVP in SBZ und der 1949 gegründeten DDR ranken sich bis heute Mythen, um so mehr als dieses Projekt bis 1989 – dem jähen und einigermaßen friedlichen Ende der DDR – als streng geheim behandelt wurde. Tatsache ist, dass der Aufbau einer U-Boot Flotte in der SBZ und der späteren DDR niemals über eine Planungsphase hinaus ging, obwohl die Sowjetische Militäradministration den Aufbau aus dem oben genannten Grund ausdrücklich begrüßte und unterstützte. Die deutschen U-Boot Waffe des Zweiten Weltkrieges war bei den Militärs der UdSSR hoch angesehen. Aber: Nur in den ersten Jahren des Bestehens der DDR gab es seitens der Militärs der DDR ernsthafte Bemühungen, eine eigene U-Boot Flotte zu etablieren.
Im Jahre 1952 – die Nationale Volksarmee war noch nicht gegründet und militärische Belange wurden durch die Kasernierte Volkspolizei (KVP) verantwortet – wurde der Versuch unternommen, eine U-Boot Flotte in der DDR zu etablieren. Die KVP hätte als Erstausstattung folgende U-Boote bekommen sollen:
- 5 ehemalige U-Boote der Deutschen Kriegsmarine als Beute der sowjetischen Marine
- 2 Küsten-U-Boote aus der Sowjetunion
- 2 ehemalige noch zu hebende und zu restaurierende U-Boote der Kriegsmarine (die gesunkenen U1308 und U2344)
Ab 1952 begann man auch mit dem Ausbau eines U-Boot Stützpunktes im Hafen von Sassnitz, der sowieso Sperrgebiet war. Die Volkswerft in Stralsund wurde neben den laufenden Rüstungsprogrammen mit dem Bau von 14 Küsten U-Booten beauftragt. Für die Ausbildung der U-Boot Besatzungen der KVP wurden ehemalige Dienstgrade der deutschen Kriegsmarine rekrutiert. Berater kamen aus der Marine der UdSSR. Der Arbeiteraufstand des 17. Juni 1953 ließ das Vertrauen der sowjetischen Regierung in die politische Stabilität der DDR schwinden. Keines der U-Boote aus der Sowjetunion – obwohl bereits avisiert – kam jemals in der DDR an. Im Februar 1953 wurde U1308 der Kriegsmarine vor Warnemünde gehoben und im November des gleichen Jahres zwecks Restaurierung in die Volkswerft Stralsund geschleppt. U1304 konnte nicht restauriert werden und wurde Anfang 1955 verschrottet.
Im Juni 1953 wurde das U-Boot Programm durch die Regierung der DDR offiziell eingestellt. Die Konstruktion und der Bau der bei der Volkswerft Stralsund beauftragten 14 U-Boote wurde storniert. Gründe war die hohe Belastung der Industrie der DDR durch die immer noch zu leistenden Kriegsreparationen an die Sowjetunion und eine Anpassung der Arbeitsnormen nach dem Arbeiteraufstand vom 17. Juni 1953. Auch die Ausbildungseinheit in Sassnitz / Dwasieden wurde aufgelöst. An Stelle der U-Boot Schule wurde am Standort Dwasieden eine Nachrichten-Ausbildungsschule eingerichtet. Von 1966 bis zur Wiedervereinigung und Auflösung der NVA am 03.10.1990 war in Sassnitz / Dwasieden das Marinepionierbataillon 18 “Kurt Kittelmann” untergebracht. Aus dieser Zeit sind noch einige Gebäude als Ruinen erhalten. Unter anderem der hohe und weithin sichtbare Schornstein des Heizkraftwerkes.
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Ein wichtiger Hinweis: Die Autoren dieses Artikels möchten ausdrücklich nicht zum Besuch des Areals rund um das Schloss Dwasieden bei Sassnitz auffordern. Das ehemalige militärisch genutzte Gelände, die Schlossruine und das Steilufer am Klocker Ufer bieten jede Menge Gefahren, zum Beispiel Absturz, Abrutschen der Böschung, Einsturz von Gebäuden oder Durchtritt. Die Holzbrücke in der Straße der Jugend ist bei feuchtem Wetter nur sehr vorsichtig begehbar, weil extrem rutschig. Dazu kommt, dass die Holzbohlen teils verwittert sind und ihre Tragfähigkeit eingebüßt haben.
Interne Links:
Fototour ⌘ Lost Places ⌘ Verlorene Orte: Sassnitz – Das Gelände am Klocker Ufer in der Nähe der Ruine des Schlosses Dwasieden und die Ruinen des Standortes des 18. Marinepionierbattalions der Nationalen Volksarmee der DDR
https://www.birk-ecke.de/2019/09/fototour-⌘-lost-places-⌘-verlorene-orte-sassnitz-das-gelaende-am-klocker-ufer-in-der-naehe-der-ruine-des-schlosses-dwasieden-und-die-ruinen-des-standortes-des-18-marinepionierbatta/
Externe Links:
Deutsches U-Boot-Museum
http://dubm.de/ddr-marine-besondere-ereignisse
Die getarnte Armee – Autoren: Torsten Dietrich und Rüdiger Wenzke / Google Books
https://books.google.de/books?id=Ldiib1M1PikC&pg=PA395&dq=u-boot+flotte+ddr&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwjy9–z-sPkAhXxwsQBHYVnDesQ6AEIKDAA#v=snippet&q=u-boot&f=false
Schlossruine und ehemaliges NVA-Gelände Sassnitz-Dwasieden
https://www.dirk-trute.de/fotografie/jasmund_schloss_dwasieden/index.html#Kapitel_2
Marinebatallon 18 auf Bundesarchiv.org
http://www.argus.bstu.bundesarchiv.de/DVM1111-31859/