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Wirtschaft & Politik: Wie der Mukran Port und die Fährhafen Sassnitz GmbH in Sassnitz Probleme mit dem National Defense Authorization Act der USA bekommen kann

Dem Hafenbetreiber Mukran Port in Sassnitz stehen möglicherweise schwere Probleme bevor. Die Hafenbetreibergesellschaft Fährhafen Sassnitz GmbH, die unter der Dachmarke Mukran Port firmiert, gehört zu 90 Prozent der Stadt Sassnitz und zu 10 Prozent dem Land Mecklenburg-Vorpommern. Mukran Port ist der östlichste Tiefseehafen Deutschlands und mit einer Größe von 400.000 Quadratmetern der größte Arbeitgeber auf der Insel Rügen. Von hier liefen die Schiffe aus, um Arbeitskräfte und Material zu den neuen Windparks vor der Nordostküste Rügens zu bringen. Dann kam die Erdgaspipeline Nord Stream 2, bei deren Bau der Hafen von Neu Mukran ebenfalls eine wichtige Rolle spielte. Mit Nord Stream 2 kommen jetzt möglicherweise Sanktionen der USA auf den Hafenbetreiber, Vorstand und Aufsichtsrat, seine Mitarbeiter und allen Firmen zu, die mit dieser Betreibergesellschaft Geschäfte machen.

Der Ärger für Mukran Port und Nord Stream 2 begann bereits Mitte Dezember 2019. Der Chef der Reederei Allseas mit Sitz in der Schweiz, Edward Heerema, bekam einen Brief vom US-Senator Ted Cruz, in dem er unmissverständlich dazu aufgefordert wurde, seine Aktivitäten bezüglich Nord Stream 2 einzustellen (Externer Link). Es wurden Sanktionen seitens der USA angekündigt. Betroffen waren die Schiffe “Pioneering Spirit”, “Solitaire” und “Audacia”. Speziell die “Pioneering Spirit” verlegte damals die 48 Zoll dicken Stahlrohre für Nord Stream 2 in der Ostsee – und das mit einer Geschwindigkeit von 3 Kilometern am Tag. Allseas kam der Aufforderung umgehend nach und zog sich innerhalb weniger Tage aus dem Nord Stream 2 Geschäft zurück. Sanktionen wären für dieses Unternehmen fatal gewesen, denn die internationalen Finanziers hätten keine Geschäfte mit der Reederei machen können, ohne selbst auf der Sanktionsliste zu stehen. Allseas wäre komplett vom US-Kapitalmark abgeschnitten gewesen und hätte natürlich für die Dauer der Aufrechterhaltung der Sanktionen keine Aufträge aus den USA und den mit ihr verbundenen Staaten – zum Beispiel den Golfstaaten – mehr bekommen.

Die “Pioneering Spirit” soll nun durch die russische “Akademik Cherskiy” und die “Fortuna” ersetzt werden. Die “Akademik Cherskiy” gehörte seit 2016 dem russischen Konzern Gazprom, dem Hauptinitiator von Nord Stream 2. Anfang Juni  2020 wurde es ausgeflottet und an den russischen Finanzinvestor Samara Thermal Energy Property Fund (STIF) veräußert. Der Fond gehört zur Unternehmensgruppe Gazprom, nämlich Gazprom Mezhregiongaz Samara (49%) und Gazprom Teploenergo (51%). Gazprom als Holding hat damit das Risiko gemindert, selbst auf der US-Sanktionsliste zu landen. Man hat in diesem Konzern bereits einschlägige Erfahrung, denn es stehen schon mehr als 140 Tochterunternehmen auf den Sanktionslisten der USA. Zumindest ankert die “Akademik Cherskiy” schon einmal weithin sichtbar im Hafen von Neu Mukran. Ein Problem organisatorischer Art war, dass die Art Rohre zu verlegen, eine Abweichende von der zugelassenen “Pioneering Spirit” ist. Die “Akademik Cherskiy” muss also neu zugelassen werden. Das kostet zusätzlich Zeit. Zudem kann die “Akademik Cherskiy” nur ein Drittel der Verlegeleistung der “Pioneering Spirit”erreichen.

Bild: Die russische “Akademik Cherskiy” soll die verbleibenden 160 Kilometer Gaspipeline Nord Stream 2 verlegen. Vor Anker im Port Mukran bei Sassnitz auf der Insel Rügen.
Das Schiff sorgt derzeit für politische Spannungen zwischen den USA und Deutschland.
Foto von Juni 2020.
Klicken Sie auf das Bild um es zu vergrößern.

 

Bild: Die russische “Akademik Cherskiy” soll die verbleibenden 160 Kilometer Gaspipeline Nord Stream 2 verlegen. Vor Anker im Port Mukran bei Sassnitz auf der Insel Rügen.
Das Schiff sorgt derzeit für politische Spannungen zwischen den USA und Deutschland.
Foto von Juni 2020.
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Bild: Die russische “Akademik Cherskiy” vor Anker im Port Mukran bei Sassnitz auf der Insel Rügen.
Foto von Juni 2020.
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Der Ärger geht aber für die Sassnitzer Hafenbetriebsgesellschaft um Einiges weiter und kann sogar existenzbedrohend für die Firma werden. Es gibt offensichtlich einen Brief von drei US-Senatoren, der auf den 5. August 2020 datiert ist, mit einer sehr ernst zu nehmenden Warnung. Sollte Mukran Port weiterhin erlauben, dass Schiffe für das Nord Stream 2 Projekt von ihr befähigt werden, zu Arbeiten an der Pipeline auszulaufen, hat die Betreibergesellschaft Sanktionen zu befürchten. Der Hafen, seine Mitarbeiter sowie sämtliche Anteilseigner würden wirtschaftlich von den USA abgeschnitten. Der Brief ging an den Bürgermeister der Stadt Sassnitz, Frank Kracht, der in seiner Funktion selbstverständlich im Aufsichtsrat der Firma sitzt. Für den Hafen von Neu Mukran wäre das vielleicht das Ende. Niemand, der in den USA oder mit den USA wirtschaftlich tätig ist, könnte mehr Geschäfte mit Mukran Port machen. Ich denke zum Beispiel an DB Schenker. Es kommt dann auch soweit, dass dringend benötigte Ersatzteile nicht geliefert werden, weil diese aus den USA oder von Firmen kommen, die wirtschaftlich in den USA agieren. Da reicht schon der Defekt eines relativ billigen Hydraulikzylinders von Bosch-Rexroth oder Parker oder der eines Elektromotors von Siemens oder ABB.

Die Firma Mukran Port, Vorstand und Aufsichtsrat kämen auf die US-Sanktionsliste, vielleicht sogar einzelne Mitarbeiter. Selbstverständlich ist die Androhung von Milliardenklagen von Anlegern bei einem in Deutschland kommunal geführten Unternehmen totaler Blödsinn. Aber die Situation in Sassnitz ist offensichtlich so, dass Bevölkerung und Bürgermeister den Ernst der Lage nicht verstehen wollen oder nicht verstehen können. Auch wenn zur Zeit in Sassnitz über den Brief Witze gemacht werden und der Bürgermeister auf seine Souveränität und die der Firma Mukran Port innerhalb Deutschlands und Europas pocht, ist sie Lage sehr ernst und gar nicht witzig. Auch die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig, kann empört sein, wie sie will. Gegen einen Donald Trump wird sie niemals gewinnen können. Das eigentliche Dilemma von Nord Stream 2 ist, dass gerade einmal 160 Kilometer Trassenlänge fehlen – für die “Akademik Cherskiy” ein halbes Jahr Arbeit.

Zur Erklärung der Rechtslage: Auch in der EU und in Deutschland gibt es Sanktionslisten und es existieren weitere allgemeine und länderbezogene EU-Embargoverordnungen. Es gibt Listen mit Personen und Organisationen für die Beschränkungen bestehen. Speziell gegen den Iran, Nordkorea, Südsudan, Russland und Ukraine finden sich aktuell Exportbeschränkungen für bestimmte Güter. Bei einem Verstoß drohen eine mehrjährige Freiheitsstrafe und empfindliche Bußgelder für Geschäftsführer und Exportverantwortliche. Jedes in der EU ansässige oder wirtschaftlich tätige Unternehmen muss nach den geltenden EU-Verordnungen und dem Außenwirtschaftsgesetz sämtliche Geschäftspartner gegen die veröffentliche europäische Liste Common Foreign & Security Policy (CFSP) zu prüfen. Das bedeutet im Klartext, dass nicht nur exportierende Unternehmen, sondern auch Unternehmen die nur in Deutschland Geschäfte tätigen, alle Geschäftspartner, Lieferanten, Kunden und seine Mitarbeiter gegen die Sanktionsliste prüfen müssen.

Über das Unternehmen Nord Stream 2: Das Unternehmen Nord Stream 2 hat ihren Sitz in Zug in der Schweiz. Es gehört zur russischen GAZPROM. CEO ist Matthias Warnig, Jahrgang 1955 und in der DDR geboren. Warnig war von 1974 bis 1990 für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) der DDR tätig und ist mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin befreundet. Als Stasi-Offizier war er stellvertretender Leiter des Referats 5 der Spionageabteilung XV der MfS-Bezirksverwaltung Ost-Berlin. Von 1986 bis 1989 war Warnig dann unter dem Decknamen „Arthur“ als sogenannter Offizier im besonderen Einsatz (OibE) in Düsseldorf tätig. Warnig arbeitete dort in der DDR-Handelsmission. Er wurde vom Bundesamt für Verfassungsschutz enttarnt. Nach der politischen Wende arbeitete Warnig für die Dresdner Bank. Am 7. Oktober 1989 erhielt Warnig von Erich Mielke die „Medaille für treue Dienste in der Nationalen Volksarmee in Gold“. Im Oktober 2012 wurde ihm von Wladimir Putin der russische Orden der Ehre verliehen.

 

Externe Links

Brief von US-Senator Ted Cruze an den Geschäftsführer der Reederei Allseas – Offizielle Website des US-Senats
https://www.cruz.senate.gov/files/documents/Letters/2019.12.18%20Letter%20to%20Allseas%20CEO.pdf

 

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