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Fototour: Ein historisches Ereignis – Vor dreißig Jahren wurde die innerdeutsche Grenze geöffnet – Eine persönliche differenzierte politische Bilanz

Wir Deutschen haben irgendwie immer lange gebraucht, bis wir zu uns gefunden haben. Über Jahrhunderte war das Gebiet ein Flickenteppich von verfeindeten Kleinstaaten. Dann kam der Aufstieg der Hohenzollern und mit ihnen – mit Blut und Eisen geschmiedet – ein einiges Vaterland. Am Ende des Zweiten Weltkrieges sah die Welt ganz anders aus: Deutschland war eine geteilte Nation, im Westen besetzt von den Westalliierten USA, Großbritannien und Frankreich und im Osten besetzt von der Sowjetunion. Die Besatzung gipfelte am Ende in der Gründung zweier deutscher Staaten, der BRD und der DDR. Die Menschen in diesen Staaten waren mehr oder weniger von einander abgeschnitten.

Bildl Ehemalige Grenzstation bei Bad Sachsa im Harz.
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Während in der Bundesrepublik die Menschen nach und nach von dem wirtschaftlichem Aufschwung profitieren konnte, wurde die Situation der Menschen in der DDR immer prekärer. Besonders auf dem Land wurde in den 1980-er Jahren die Versorgung mit den Waren des täglichen Bedarfes immer schlechter. Die Infrastruktur wurde immer maroder. In dem Dorf im Unterharz, in dem aufwuchs, war das Trinkwasser wegen geringer Niederschläge knapp und so wurde jeden Tag der Dorfbrunnen mittels eines Tankwagens aufgefüllt. Dieses Wasser war von zweifelhafter Qualität und ganz sicher nicht zum Trinken geeignet.

Die Staatssicherheit war allgegenwärtig, mit haupt- und nebenamtlichen Spitzeln. Allein die personelle Stärke der hauptamtlichen Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit hatte 1989 die 90.000-er Marke überschritten. Nach der Wende haben viele von ihnen mit viel Geld – aus welchen Quellen ich immer – den Sprung in die von ihnen gehasste und bekämpfte Marktwirtschaft geschafft und fahren heute nicht mehr Lada sondern  einen fetten Mercedes und wohnen in großen Häusern mit Swimming Pool, den sie zu Zeiten der DDR wegen der Wasserverschwendung so verteufelt haben. Von diesen hauptamtlichen Spitzeln gibt es auch mindestens einen in dem Ort, in dem ich aufgewachsen bin.

Nach dem die Innerdeutsche Grenze von der Regierung der DDR errichtet und ironischerweise als “Antifaschistischer Schutzwall” bezeichnet wurde, obwohl die Landminen und Selbstschussanlagen auf der Seite der DDR positioniert waren, war praktisch kein Grenzübertritt für Bürger der DDR mehr möglich. Die Gernztruppen der DDR, die mit ihren durchschnittlich 44.000 Mann offiziell nicht der Nationalen Volksarmee der DDR unterstanden, sondern direkt dem Ministerium für Verteidigung, unterband jeden Fluchtversuch eines Bürgers der DDR mit dem Gebrauch der Schusswaffe. Es muss heute von etwa 1000 Opfern ausgegangen werden.

In der Zeit der DDR haben sich einige Ereignisse abgespielt, die mein Leben geprägt haben. Da war die Ausrufung des Kriegsrechts in Polen Anfang der 1980-er Jahre. Mein Vater erhielt als Reservist einen Einberufungsbefehl zur Nationalen Volksarmee. Er hatte wohl davon erfahren und kam später als üblich nach Hause. Inzwischen hatte die Postfrau immer wieder versucht, den Einberufungsbefehl zuzustellen. Ich habe ihn nicht angenommen. Mein Vater hat mir an diesem Abend seine Erkennungsmarke mit der Knickmarkierung gezeigt. Ich werde das nie vergessen und fühlte mich zum Kotzen. Seine gepackte Ausrüstung lag monatelang auf dem Schlafzimmerschrank. Er hätte vielleicht als Familienvater in einen Krieg gegen Leute ziehen müssen, mit denen wir nichts zu tun hatten und die uns nichts getan hatten.

Wenige Monate später – meine Uroma war schwer krank – rückte die Staatssicherheit an. Mein Vater und meine Oma hatten sich an der Raststätte “Hermsdorfer Kreuz” mit meiner Großtante und meinem Großonkel aus der Bundesrepublik getroffen – wir hatten beiderseitig sehr gute Beziehungen und mochten uns sehr. Solche  Treffen waren eigentlich verboten. Vater und Oma waren noch nicht wieder zu Hause, da klingelte es. Auf dem Weg zum Tor sah ich schon, wer da was von uns wollte: es war das untrügliche Zeichen der Staatssicherheit – graue Popeline Jacken. Die Typen kamen immer zu zweit. Zu meinem Selbstschutz habe ich die scharfe Schäferhündin Bessie aus dem Zwinger gelassen und den Herren gesagt, dass ich niemanden rein lassen darf.

Unvergessen ist der Tag meiner Musterung zur Nationalen Volksarmee, Ich hatte eine Berufsausbildung zum Instandhaltungsmechaniker mit Abitur aufgenommen. Irgendwie erwarteten die Genossen, dass ich drei Jahre in der Nationalen Volksarmee dienen würde. Das hatte ich aber nicht vor. Eigentlich war es auch üblich, mit dem FDJ-Hemd zur Musterung zu erscheinen. Das war aber ein wenig zu eng geworden. Ich war offensichtlich ein wenig in die Breite gegangen, und so entschied ich mich, ein Sweatshirt mit der Aufschrift “Riverside – American Schools in Europe” anzuziehen. Es passte perfekt und meine Mutter war schon auf Arbeit. Das Sweatshirt war von meiner Brieffreundin, der Tochter einer Heimatvertriebenen Freundin meiner Oma in Düren im Rheinland. Ich habe es sehr gemocht und gerne getragen.

Ich wurde tatsächlich kritisch gemustert. Ein alter Arbeiterveteran beschied mir, dass ich nicht zum Studium kann, bis ich den Wehrdienst bestanden haben würde und das Ziel der DDR die 3,3-Kinder-Politik ist. Auch zur Grenze würde ich nich kommen, wegen meiner Westkontaktkte und des Faktes, dass mich meine Westverwandten problemlos durchbringen würden (!). Der alte Spitzel hatte mehr Informationen als ich.  Das Thema war schnell erledigt, denn als als Arbeiter verdiente ich viel mehr als mein Vater als Ingenieur und noch viel mehr als meine Mutter als examinierte Krankenschwester. Kinder wollte ich eh nicht. In die SED wollte ich auch nicht. Die Sache war gleich rum. Der anwesende Major, der heute Vorsitzender der Mansfelder Kreisbahn ist, war ganz bestürzt.

Was habe ich die vormilitärische Ausbildung in der Gesellschaft für Sport Und Technik (GST) gehasst! Dazu kam, dass sie Zeit, der vormilitärischen Ausbildung in den Kalendertagen lag, in dem die Westverwandtschaft kam, und ehrlich gesagt, waren mir meine Tante und mein Onkel wichtiger. Ich bin zugegebenermaßen bis heute ein Individualist und hasse alles, was uns gleich macht. Insbesondere die Unterkunft in Massenquartierern, Ich wohne heute in München, aber ich fahre bis heute nicht mit Kollegen in in eine Berghütte. Was ich damals mitgenommen habe: Eine Kalaschnikow könnte ich noch heute auseinanenrdernehmen und wieder zusammenbauen.  Treffen würde ich sowieso – damals war es ein der Jux. Alles mit Dauerfeuer rauszuschießen was wir auch getan haben, aber eigentlich streng verboten war.

Adolf Hitlers Geburtstag: Natürlich wurde der Geburtstag im GST-Lager gefeiert, zumindest von Leuten, die schon länger in der GST (der “Gesellschaft für Sport und Technik”) waren. Mit reichlich Bier und Schnaps und diversen Zeremonien. Ernst Thälmann, der in jedem Flur eines Wehrlagers als Bild hing wurde verspottet. So war es nun mal – zumindest in im Wehrlager meiner Betriebsberufsschule (BBS). Der Militarismus hatte in der DDR seinen Stellenwert. Nazis oder Kommunisten, es war scheisessegal. Der Gleichritt der Nazis war in der deutschen Armee besser erlernbar. Sie waren immer Militaristen. Bis heute ist ist es nicht anders: Heute ist in Deutschland fast jede Kaserne nach einem bedeutenden Nazi benannt. Sie alle waren fast immer Kriegsverbrecher, die eigentlich für alle Zeit weggesperrt gehört hätten. Ich hasse es, an einer Kaserne vorbeizufahren, die einen Namen dieser Leute hat!

Der 9. November 1989 war zweifellos einer der glücklichsten Tage der der gesamtdeutschen Geschichte und der Tag des Sieges der Menschen, die in der DDR gegen das Unrechtsregime der Sozialistischen Einheitspartei und ihrer Spitzel der Staatssicherheit jeden Montagabend demonstriert hatten. Der SED-Bonze Günther Schabowski öffnete die  Grenze an diesem Abend mit einer vielleicht unbedachten Pressekonferenz und die Deutschen aus dem Osten begannen sofort und den Westen zu reisen. Die Solidaridarität der Bürger im Westen des Harzes ist mir bis heute unbegreiflich und ich bin ihnen dankbar dafür.

Einen großen Beitrag zur Öffnung der Grenze hat damals die Regierung Ungarns gemacht. Der damalige Staatspräsident Gyula Horn öffnete einfach die Grenze und sicherte den Flüchtlingen aus der DDR unbegrenztes Asyl zu. Am 10. September 1989 gab er bekannt, dass die Flüchtlinge ausreisen könnten. Er hat damit einen mutigen Weg beschritten. Ungarn hat vieles riskiert – von einer militärischen Intervention des Warschauer Paktes bis zu  wirtschaftlichen Sanktionen von Seiten der Sowjetunion. Das dürfen wir den Ungarn nie vergessen.

Wenige Wochen später ereignete sich folgende Geschichte, die mich selber betraf: Ich war mit meiner Oma zu Fuß über Elend (im Osten) nach Braunlage (im Westen) unterwegs. Auf dem Rückweg waren die Grenzer an der Westgrenze deutlich vom Glühwein angeheitert. Sie haben keinen Pass kontrolliert und ihnen war egal, wer wohin gegangen ist. Auf der Ostseite stand ein alter Grenzkontollör – geschätzt 60 Jahre alt und sichtlich verbissen – und verweigerte mir die Einreise, weil ich auf dem Frontdeckel meines Personalausweis das Wappen der DDR mit einem bunten Aufkleber von Mustang Jeans “Colours to The World” abgeklebt hatte.

Bunt fand ich damals cool und die der DDR – auch mit Wendehälsen wie Gregor Gysi oder Egon Krenz – war für mich mausetot. Mein DDR-Wehrpass befand sich damals schon beim Neuen Forum. Den Wehrpass herzugeben war in der DDR eigentlich eine Straftat, aber ich mochte nicht auf andere Leute schießen. Ich habe dem verbissenen Grenzer dann deutlich gemacht, dass ich sofort in Richtung Westen umdrehen werde, was er nicht verhindern könnte und er eines Tages Tages an der Grenze von Polen zu Weissrussland stehen wird, was dann im Laufe weniger Monate mit dem Zerfall der Sowjetunion und der Eigenständigkeit der baltischen Länder auch so kam. Die Rückreise in die DDR wurde umgehend von ihm genehmigt – und das sofort und ohne Rücksprache mit seinem Vorgesetzten.

Ich bin damals wieder gut zu Hause angekommen. Am 3. Oktober 1990 waren wir wieder ein Volk. Es war der Tag der deutschen Einheit und das ist gut so. Für meine Heimat, das Mansfelder Land, hatte ich mir vorgestellt, das es wieder große Industrienansiedelungen  gibt, in denen die Menschen wieder richtig gutes Geld verdienen können, aber nichts wurde getan. Nichts von Seiten der Politik und nichts von Seiten der Wirtschaft. Ich habe damals in einem Kombinat gelernt, in dem es über 40.000 Mitarbeiter gab, davon sind heute nur noch etwa 1.000 übrig.  Das ist mehr als übel und schlägt sich bis zum örtlichen Einzelhandel durch.

Die gravierenden Maßnahmen oder Versäumnisse diverser Bundesregierungen:

Die damaligen Volksparteien schaffen sich zunehmend ab, was sich auch in Wahlergebnissen zeigt – und mit diesen Ergebnissen müssen sie umgehen lernen. Es gibt heute leider nicht mehr die “hemdsärmeligen Politiker” von früher, wie Helmut Kohl oder Hans-Dietrich Genscher. Die konnten noch Dinge bewegen.  So etwas wie die deutsche Einheit heute zu stemmen wäre heute unmöglich.Die Kanzlerin Angela Merkel macht eine Politik des Stillstandes. Die Politik heute ist nicht mehr im Sinne der Bevölkerung. Immer mehr Menschen in diesem Land wenden sich zu Recht von den etablierten Politikern ab.

 

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